In einer Welt, in der das Schlagwort "Kundenorientierung" in nahezu jeder Unternehmensphilosophie zu finden ist, offenbart sich ein bemerkenswertes Paradoxon: Während viele Unternehmen von sich behaupten, kundenorientiert zu agieren, fühlen sich die Kunden selbst oft nicht verstanden oder gar vernachlässigt. Dieses Paradoxon ist kein Geheimnis und wird durch zahlreiche wissenschaftliche Studien gestützt. Doch wo liegt die Wurzel des Problems? Und was noch wichtiger ist, wie kann es gelöst werden?

Es wird oft gesagt, dass der Fisch vom Kopf her beginnt zu stinken. Im Kontext der Kundenorientierung bedeutet dies, dass die Verantwortung für die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit bei den Führungskräften liegt. Im Laufe ihrer Karriere verlieren viele den unmittelbaren Kontakt zu ihren Kunden – und mit ihm den Sinn für die Realitäten des Marktes. Sie werden zu "Amateuren der Kundenorientierung", ohne es zu bemerken.

Doch wie vollzieht man den Schritt vom Amateur zum Meister der Kundenorientierung? Drei Schlüsselfaktoren sind entscheidend: Demut, das beständige Hineinversetzen in die Kundenperspektive und die physische Vergegenwärtigung des Kunden in Entscheidungsprozessen – zum Beispiel durch einen "Kundenstuhl" in Besprechungen.

Ein eindrucksvolles Beispiel für praktizierte Kundenorientierung lieferte die Aral AG bereits in den 90er Jahren. In einer überraschenden Wendung eines Führungskräftetreffens mussten alle Teilnehmer einen dreitägigen Arbeitseinsatz an einer Tankstelle absolvieren. Diese Erfahrung öffnete vielen die Augen für die realen Bedürfnisse und Sorgen ihrer Kunden. Ähnliche Erkenntnisse gewann ein Spitzenmanager, der merkte, dass viele Konzepte aus der Zentrale im Alltag nicht umsetzbar waren.

Doch nicht nur im direkten Kundenkontakt, sondern auch in der internen Unternehmensführung lässt sich die Kundenorientierung stärken. Der von Jeff Bezos, dem Gründer von Amazon, eingeführte "Kundenstuhl" ist ein Symbol für die Omnipräsenz des Kunden in jeder geschäftlichen Entscheidung. Dieses einfache, aber wirkungsvolle Mittel hilft dabei, den Kunden stets im Mittelpunkt des Handelns zu behalten.

Letztendlich geht es bei echter Kundenorientierung nicht um bloße Unternehmenspolitik, sondern um eine grundlegende Haltung. Führungspersonen und Mitarbeiter müssen sich dieser Herausforderung persönlich verpflichten. Der Unterschied zwischen einem Manager und einer wahren Führungspersönlichkeit liegt gerade in dieser Selbstverpflichtung zur Kundenorientierung.

In Ihrem Unternehmen werden Sie keinen zwangsläufigen Erfolg durch Kundenorientierung garantieren können – Zukunftsvorhersagen bleiben, wie der Physik-Nobelpreisträger Nils Burgern es ausdrückte, schwierig. Jedoch ist der Schritt hin zu einer tieferen Kundenintegration zweifellos eine Investition in die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und Kundenzufriedenheit.