Zugegeben der Management-Guru Peter Drucker steht für diese Überschrift Pate: „Culture eats Strategy for Breakfast“ ist eine seiner berühmtesten Weisheiten. Ich möchte hieran anknüpfen, um eine besonders heimtückische Konstellation der Kundenorientierung in Unternehmen zu thematisieren.
Wie die Kontaktadresse wird „Kundenorientierung“ in allen Unternehmenspapieren und Veröffentlichungen mit aufgenommen. Aber erst durch die Unternehmenskultur kann das Unternehmen als wirklich kundenorientiert wahrgenommen werden.
In meinem Verständnis gehören zur Kultur die Vision und Mission eines Unternehmens, insbesondere aber die gelebten und eingeforderten Werte und Verhaltensweisen. Genau an dieser Stelle sind in vielen Unternehmen Soll-Bruchstellen festzustellen.
Es gibt kein Unternehmen, welches sich nicht explizit zur Kundenorientierung bekennt. Viele rühmen sich gar ihrer Kundenorientierung. Kundenorientierung wird als so selbstverständlich betrachtet und von den Mitarbeitern erwartet, wie es selbstverständlich ist, einen Kunden, der an der Kasse steht, abzukassieren. Schaut man in der Rolle des Kunden, mit seiner Brille in die Unternehmen hinein, bleibt oft nur das Abkassieren übrig.
Das liegt nicht daran, dass die Mitarbeiter im Grundsatz kundenorientierte Verhaltensweisen verweigern würden. Es gibt gemeinsam gelernte Verhaltensweisen und ein (nicht) explizit dokumentiertes Grundverständnis darüber wie Kundenorientierung im Unternehmen gelebt werden soll. Dies hat sich im Laufe der Jahre oder gar Jahrzehnte entwickelt - und regelrecht verselbstständigt.
Dieses implizite Grundverständnis liefert die Erklärung warum so viele Unternehmen meinen am Kunden interessiert zu sein, es tatsächlich aber nicht sind. Der Supermarkt, das Logistik- und Transportunternehmen, der Provider, der Maschinenbauer oder das Zeitarbeitsunternehmen waren in der Vergangenheit erfolgreich, weil die Geschäfte quasi "ohne den Kunden" funktionierten. Das haben sich die Unternehmen selbst aber nie eingestanden. Beim Supermarkt haben die Anzahl Kassiervorgänge, beim Logistik- und Transportunternehmen die Beförderungsfälle, beim Provider die Anzahl Verträge, beim Maschinenbauer die verkauften Maschinen und beim Zeitarbeitsunternehmen die Anzahl Überlassungen Bedeutung. Unternehmen können auch, ohne kundenorientiert zu sein, Gewinne erwirtschaften. Tatsächlich nehmen diese Unternehmen aber für sich genau das Gegenteil in Anspruch.
Unternehmen, die Kundenorientierung neu für sich entdecken wollen, sollten ein anderes Wording statt „Kundenorientierung“ wählen. Die Rewe-Gruppe spricht von „Gastfreundschaft“, ein IT-Dienstleister nennt es „Kundenglück“, ich empfehle zum Beispiel „positive Kundenerfahrung“ zu kreieren. Wenn diese Begriffe mit Werten wie Wertschätzung, Respekt und Vertrauen aufgeladen werden, wenn diese Begriffe als Überschrift für Anerkennung und Fairness stehen, um hier nur einige wenige wichtige Aspekte der Kundenorientierung zu nennen, dann hat das Unternehmen die Chance Kundenorientierung in seiner Unternehmenskultur zu verankern und sich in der Wahrnehmung der Kunden eben als kundenorientiertes Unternehmen, und damit hochattraktives Alternativangebot zu den zahlreichen anderen Anbietern zu positionieren.