Versicherte wollen mehr als nur Policen
Die internationale Managementberatung Bain & Company hat 2016 im Rahmen der Studie „Customer Behavior and Loyalty in Insurance“ über 160.000 Versicherte in 19 Ländern befragt - das Ergebnis kann in einem Satz zusammengefasst werden: Die Versicherten wollen mehr als nur eine Police. Die deutschen Versicherten würden sich auch für Angebote rund ums Auto (z. B. Überwachung des Fahrverhaltens, Werkstattberatung und Diebstahlschutz), ums Haus (z. B. Beratung und Rabatte für Gebäudeüberwachungssysteme, Handwerkerempfehlungen), um die Gesundheit (z. B. Gesundheitsberatung, Fitnesspläne) und um das Leben (z. B. Nachlassplanung und Rechtsberatung) interessieren. Dr. Henrik Naujoks, Bain-Partner und Leiter der Versicherungs-Praxisgruppe in der Region EMEA, sieht darin eine Steilvorlage für die Branche: „Den Versicherern kann mit zusätzlichen Produkten und Dienstleistungen nicht nur der angestrebte Wandel vom Produkt- zum Lösungsanbieter gelingen. Vielmehr sind damit auch neue Umsatzpotenziale verbunden und die Möglichkeit, weitaus intensiver mit dem Kunden zu interagieren.“
Schlüsselfaktor für den Erfolg sind häufige Interaktionen
Über 50 Prozent der Befragten erklären auch, dass sie ihren Versicherern ausgewählte Daten über ihre Gesundheit, ihre Finanzen oder ihre Konsumgewohnheiten bereitstellen würden. „Das ist eine einmalige Chance für Versicherer“, betont Naujoks. „Sie können mehr über die Bedürfnisse ihrer Kunden erfahren, auf dieser Basis gezielt mit innovativen Dienstleistungen die Kontaktfrequenz erhöhen und damit eine traditionelle Schwäche der Branche ausmerzen.“ Und er fügt hinzu: „Häufige Interaktionen sind und bleiben ein Schlüsselfaktor für eine hohe Kundenloyalität.“
Hybride Kunden machen alles - egal ob analog oder digital
Der Bain-Studie zufolge genügt immer weniger Versicherten die herkömmliche, oft silohafte Trennung der Anlaufstellen in Agenturen, Callcenter oder Online. Hybride Kunden sind längst Normalität. In der Schweiz nutzen knapp 50 Prozent der Versicherten sowohl analoge als auch digitale Kanäle. Fast ein Drittel der Lebensversicherungskunden will Vertrag erweitern Digitale Kanäle erleichtern es den Versicherern, nicht nur die Zahl der Interaktionen zu erhöhen, sondern letztendlich auch ihre Beitragseinnahmen. Selbst in ihrem angestammten Geschäft mit dem Verkauf von Policen schöpfen sie derzeit noch nicht alle Möglichkeiten aus. Zum Beispiel jeder fünfte Schweizer ohne Lebensversicherung würde eine solche erwerben. Rund 30 Prozent der Policeninhaber geben an, ihren bestehenden Vertrag erweitern oder ein zusätzliches Produkt kaufen zu wollen. Ganz oben auf der Wunschliste der Versicherten steht die bessere Absicherung des Familieneinkommens.
Es fehlt der Dialog
„Viele haben die Lebensversicherung zu früh totgesagt“, so Bain-Partner Naujoks. „Der Bedarf ist da, doch es fehlt der Dialog zwischen Anbietern und Kunden.“ Nach Überzeugung von Bain können Versicherungsunternehmen mit einem kundenzentrierten Geschäftsmodell und zusätzlichen digitalen Services die Wechselbereitschaft eindämmen, die Kundenbindung stärken und sich einen höheren Anteil am Finanzbudget der Eidgenossen sichern. „Unsere diesjährige Versicherungsstudie ist ein Weckruf für die Branche", erklärt Naujoks. „Nur wenn Versicherer die Digitalisierung zügig vorantreiben, können sie sich als Lösungsanbieter für Kernthemen wie Wohnen, Mobilität und Gesundheit etablieren.“
Armageddon für echte Kundenbindung
Tatsächlich müssen die Versicherungen in Zukunft andere Wege gehen. Check24 und andere Portale haben sich längst zwischen den Kunden und den Versicherungen gedrängt. Solche Portale werden dem Suchverhalten der potentiellen Kunden gerecht, sind aber ein dauerhaftes Armageddon für echte Kundenbindung.
Interaktionen, Dialog, zu erkennen, was der Kunde wirklich will, all das sind Schlüsselfaktoren echter Kundenorientierung. Versicherer haben echte Wachstumschancen durch Kundenorientierung.
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