„Digitales Einkaufen boomt!“ „Mobile-Shopping ist die Zukunft!“ „Neue Kundschaft findet man nur noch online!“ So oder so ähnlich lauten die populären Mythen aus der Welt des Einzelhandels. Tatsächlich wurden 2015 90 Prozent der Einkäufe innerhalb eines Ladenlokals abgewickelt. Gleichzeitig nehmen die Händler (und nicht nur die) immer mehr Geld in die Hand, um im Wettbewerb des Multichannel- und Digitalisierungszeitalter bestehen zu können. Das sind zumindest die Ergebnisse zahlreicher Studien. Eines der Hauptspielfelder der großen Händler und Dienstleister ist die Logistik.
So wie die Logistiker als Kind mit Lego und Fischer Technik fast tagtäglich neue Welten bauten, so entwickeln sie heute als verantwortliche Manager fast ebenso schnell neue Belieferungskonzepte für die online kaufende Gemeinde. An Kreativität und Phantasie fehlt es da auf keinen Fall. Smart Fahrer, dieses Stadtauto für zwei, mit Kofferraum für einen Buko - können jetzt direkt beim Onlineshopping ihr Fahrzeug als Lieferadresse angeben. Über ein digitales Zugangssystem zum Fahrzeug kann der Paketbote Lieferungen reinlegen und Retouren wieder abholen. Schade, dass ich keinen Smart habe; ich würde direkt mal einen 50 Zoll TV bei amazon bestellen. In Düsseldorf testet Mediamarkt einen Lieferroboter. Dieser kann die Bestellungen in bis zu fünf Kilometern Umkreis bis vor die Haustür transportieren. Kleine Anekdote am Rande: Ganz auf sich gestellt ist der Roboter nicht: Im Hintergrund wacht ein Aufseher, der bei Problemen eingreifen und sich bei Bedarf sogar mit den Kunden und Passanten unterhalten kann. Und noch einmal: der Roboter liefert bis vor (!) die Haustür. Warum liefert der Aufseher eigentlich nicht alleine, ohne den Roboter, bis in die Wohnung? Auch der zum Otto-Konzern gehörende Versender Hermes kündigte bereits Tests mit den Lieferrobotern von Starship an. Otto fand ich gut.
Amazon testet in Deutschland eigene Packstationen. Amazon Locker heißt das Schließfachsystem für Pakete, das der Onlinegigant bald auch in deutschen Innenstädten aufbauen könnte. Mit einem Zahlencode können Kunden die Fächer öffnen und so ihre Sendungen auch dann abholen können, wenn der Paketbote niemanden angetroffen hat. Ich habe schon das Bild vor Augen: neben den gelben Kästen der DHL, stehen in Zukunft die orangen von Amazon und die roten der Deutschen Bahn. Aber auch die Lieferzeiten sollen weiter reduziert werden: In Berlin, München, einigen weiteren europäischen und mehreren amerikanischen Städten können Kunden des Abo-Dienstes Prime sich ihre Waren entweder innerhalb einer Stunde oder in einem wählbaren Zwei-Stunden-Fenster am selben Tag liefern lassen. Nicht alle Waren von Amazon, aber immerhin aus einer Auswahl von 10.000 Tausend. Wenn ich dann auf die Website von Amazon gehe, kommt augenblicklich das Spielchen: gehört es zu den Zehntausend, oder nicht. Die Deutsche Post und Amazon gehen gar in die Luft und probieren Paketdrohnen. Da landet dann auf einmal eine Drohne in meinem Garten und bringt mir das Fachbuch „Logistik im 3. Jahrtausend“.
Der Wettbewerb der immer schnelleren und unabhängigeren Belieferung nimmt schon groteske Züge an. Wie ist die Meinung der Kunden? Das Beratungsunternehmens PWC hat herausgefunden, dass die Mehrzahl der Bundesbürger derartigen Innovationen eher skeptisch gegenüber steht. Nicht einmal jeder Dritte kann sich demnach eine Zustellung per Flugdrohne vorstellen. Drei Viertel der Befragten finden, diese Art der Luftpost berge ein hohes Unfall- und Schadensrisiko. Mein Sohn Tim würde übrigens jeweils zu denen gehören, die sich auf die neuen Belieferungsmöglichkeiten freuen würden. Ich stelle mir schon vor, wie in fünf Jahren ein DHL-Bote das Fresspaket der Eltern in sein Studenten-Auto legen wird. Obwohl, als Angehöriger der Generation Z wird er ja gar kein Auto besitzen wollen.
Auch A.T. Kearney, eine der größten Strategieberatungen weltweit, hat mit einem ganz besonderen Ansatz „Achieving Excellence in Operations“ (AERO) den Irrsinn dieses Logistik-Wettbewerbs untersucht. In dieser Studie, die 2016 schon zum dritten Mal durchgeführt worden ist, wurden Hundert Top-Manager weltweit agierender Handelsunternehmen in Europa, Amerika und im asiatisch-pazifischen Raum befragt. Diese Ergebnisse widerum wurden mit den Erwartungen von 800 US-amerikanischen Konsumenten gespiegelt. Während die Anbieter um die kürzesten Lieferzeiten wetteifern – von Lieferung am nächsten Tag bis zu innerhalb einer Stunde – sind drei Viertel der befragten US-amerikanischen Kunden, mit zwei Tagen Lieferzeit durchaus zufrieden. Das erfüllen heute nahezu alle Versender. Viel wichtiger ist Ihnen, dass die angekündigte Frist auch tatsächlich eingehalten wird.
Noch einmal zu Tim: jedes Mal, wenn er unseren DHL-Boten sieht, berichtet er uns begeistert, wie nett der immer sei - „der macht einem richtig gute Laune“. Ob die Manager von DHL wissen, dass ihre Fahrer nicht nur ausliefern, sondern den Kunden sogar ein Lächeln ins Gesicht zaubern können? Eine Drohne kann das nicht ?