Wenn sich die Unternehmen mit der „Digitalen Transformation“ auseinandersetzen, dann aus egoistischen Gründen. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Befragung von 559 Industrieunternehmen ab 100 Mitarbeitern, die der Bitkom im Vorfeld der diesjährigen Hannover Messe beauftragt hat.
Laut der Bitkom-Befragung verfolgen die Anwender und Planer von Industrie 4.0 damit vor allem das Ziel, ihre Prozesse zu optimieren und die Kapazitätsauslastung in ihren Fabriken zu verbessern. 69 bzw. 57 Prozent nennen diese Punkte unter den drei wichtigsten Zielen. Rund die Hälfte (50 Prozent) erhofft sich von dem Einsatz vor allem eine schnellere Umsetzung von individuellen Kundenwünschen. 44 Prozent wollen durch Industrie 4.0 vor allem ihre Produktionskosten senken und 19 Prozent ihre Personalkosten. Eine bessere Planung von Wartungsfenstern hat für 17 Prozent der Anwender und Planer hohe Priorität.
Nur 14 Prozent verfolgen mit Industrie 4.0 zuvorderst das Ziel, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln oder bestehende Geschäftsmodelle zu verändern. Lediglich 13 Prozent zielen mit Industrie 4.0 vor allem darauf ab, neue Kundengruppen anzusprechen. „Industrie 4.0 zahlt unter anderem auf die klassischen Erfolgsfaktoren eines Unternehmens ein: mehr Effizienz und Produktivität. Es geht gleichermaßen darum, Bestehendes zu verbessern und Neues zu schaffen“, so Bitkom Präsidiumsmitglied Frank Riemensperger. „Insbesondere neue ‚As a Service‘-Geschäftsmodelle, in denen die Produkte nicht mehr verkauft, sondern die Nutzung nach Verbrauchseinheiten abgerechnet wird, erfordern es, die bewährten Geschäftsmodelle zu hinterfragen und möglicherweise grundsätzlich zu verändern.“
Damit spricht Riemensperger die alarmierende Schwachstelle vieler Projekte an, die die „Digitale Transformation“ im Unternehmen umsetzen sollen: es fehlt ihnen zu einem Großteil der Bezug zur Aussenwelt; die Projekte haben einen Wert, aber keinen Sinn. Dies zeigt sich aber nicht nur darin, dass die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle in der Zielsetzung der Unternehmen so gut wie gar nicht vorkommt. Die Steigerung der Kundenzufriedenheit, eine Verbesserung der Kundenorientierung haben in diesem Kontext laut Entscheider gar keine Existenzberechtigung. Die „Digitale Transformation“ wird so zu einem Vabanquespiel.
Diese offene Flanke werden branchenfremde Unternehmen nutzen: sie werden sich fragen, was will der Kunde wirklich und wie können wir dem Kunden dies in einer digital geprägten Welt liefern. Apple hat dies in der Musikindustrie gemacht, airbnb revolutioniert gerade den Markt für Übernachtungen und mit Uber erhält die Taxibranche neue Marktgesetze.
Die Industrieunternehmen werden im Zeitalter „Industrie 4.0“ erst dann zu den Gewinnern zählen, wenn sie die „Digitale Transformation“ radikal kundenorientiert vorantreiben.
“Die Digitalisierung muss den Technikern entrissen werden, sonst wird sie zum Deseaster. Menschen sind nicht digital, das gilt es zu berücksichtigen”, Matthias Horx, Trend- und Zukunftsforscher in einem Beitrag für das Handelsblatt vom 13.8.2016