Können ein zweistelliger Marktanteil oder die Marktführerschaft, Größe und internationale Reputation, Marken und tausende von Patenten vor dem Untergang schützen? Nokia, Kodak, Microsoft, AEG, Kreidler, Grundig, Quelle, Deutsche Bank waren international erfolgreiche Vorzeigeunternehmen, wurden zu Wackelkandidaten und sind teilweise aus den Märkten verdrängt worden. Vielfach werden zur Erklärung die rasante Marktentwicklung - die verschlafen wird, neue branchenfremde Wettbewerber, die Marktgesetze sprengen oder neue digitalisierte Technologien, die die anderen einsetzen, als Ursache genannt. Sind dies wirklich die relevanten Ursachen und Bestimmungsfaktoren oder verlieren die Unternehmen im Zeitablauf einfach nur ihre Identität?
Um sich selbst vor einer solchen Entwicklung zu schützen, haben viele Unternehmenslenker und Manager den dauerhaften Wandel als Maxime ausgerufen. Change wird zum Dauerzustand. Der Evolutionsbiologe Charles Darwin muss zur Erklärung herhalten: „Weder die stärkste noch die intelligenteste Spezies überlebt. Sondern jene, die sich am besten dem Wandel anpasst.“
Zur Erklärung des Markterfolges eines Unternehmens werden gerne die Kernkompetenzen herangezogen. Bei Apple waren das in der Vergangenheit die „Human Interface Guidelines“ und die zentrale Datenbank jedes einzelnen Users „iTunes“.
Die „Human Interface Guidelines“ habe ich schon immer gerne als hemmungslose Nutzer- und Nutzenorientierung beschrieben. Apple konnte früher auf Bedienungsanleitungen seiner Produkte verzichten. Ausgepackt, angemacht, läuft, ein positives Kundenerlebnis wird vom Nächsten abgelöst. Was war der Unterschied zum Beispiel zu Microsoft: Apple funktionierte einfach und stürzte nicht ab. Gleiches galt für die mobilen Geräte: während ein Nokia Communicator und zahlreiche PDA’s Reset-Knöpfe hatten, die eingesetzt werden mussten, falls das Gerät mal wieder hängen blieb, konnte Apple sich einen solchen Knopf sparen - gleichwohl gab es die Funktion.
Apple stand also für Lösungen, die einfach funktionierten und das taten, was der User von diesen erwartete. Apple stand für ein Design „easy-to-use, easy-to-understand products“ wie Don Norman und Bruce Tognazzini in ihrem Blog-Beitrag „How Apple Is Giving Design A Bad Name“ beschreiben. Inzwischen sind viele Apple-Produkte mit zahlreichen Features überladen, die es dem User schwerer als früher machen, das Produkt zu nutzen. Einige Beispiele: bei meinem iPhone kann ich nach links oder rechts, nach oben oder unten wischen, ich kann einmal drücken oder mehrmals, leider weiß ich nicht immer, was dann passiert. Toll ist, dass das Display jetzt sogar mit Force Touch die dritte Dimension beherrscht. Damit wird das System für den User aber nicht unbedingt intuitiver - aber es wird technisch anspruchsvoller.
Apple war auch dafür bekannt, seine Kunden nicht als Produktester einzusetzen. Spätestens seit dem Start von Apple Music hat Apple diesen Nimbus verloren: Nutzer klagten über doppelt angezeigte Songs, Wiedergabelisten verschwanden, die Aktivierung der iCloud-Musikbibliothek geriet zum Glücksspiel. Das iPad Pro, welches 2016 in den Markt eingeführt wurde, reagiert nach dem Aufladen oftmals nicht mehr auf Eingaben. Bei einigen Modellen des Apple TV kommt es zu einer Rückrufaktion. Apple-Produkte funktionieren nicht mehr.
Eine Untersuchung der Medium Corporation - durchgeführt in den USA - gibt Aufschluss darüber, warum Käufer der Apple Watch unzufrieden mit der Uhr sind. Der wichtigste Grund mit insgesamt 89 % der Nennungen war der, dass die User keinen Nutzen für sich ausmachen konnten. Die hemmungslose Nutzer- und Nutzenorientierung ist auf der Strecke geblieben.
Charles Darwin 's Zitat scheint also doch zur Erklärung geeignet: Es überlebt jene Spezies, die sich dem Wandel am besten anpasst, oder vielleicht sogar, diesen Wandel auslöst. Auch das konnte Apple früher einmal. Ob es die verloren gegangenen Kernkompetenzen sind, die die Unternehmen in stürmische Positionen in den Märkten führen, kann niemand abschließend feststellen. Zahlreiche Untersuchungen, das hier diskutierte Beispiel Apple zeigen hingegen, dass ein (!) zentraler Faktor der Verlust der Kundennähe ist. Die Ursache dafür wiederum kann eine Art „mentale Zentralverriegelung“ des Managements oder einer ganzen Organisation sein. Jahrelang als Musterunternehmen (hoch) gelobt, in den Märkten an der Spitze, von den Fachleuten als das Referenzbeispiel gelobt und mit Preisen und Anerkennungen überhäuft, glauben die Menschen irgendwann unfehlbar zu sein.
Der Gefahr, in diese Falle der Unfehlbarkeit zu rutschen, kann durch eine echte, dauerhaft gelebte Kundenorientierung begegnet werden.
Wie wahr: Apple schafft sich selber ab und beharrt wahrscheinlich auch trotz des enormen Wettbewerbs auf seiner exklusiven Preispolitik. Wie arrogant Unternehmen doch sein können! Ergänzend hierzu fand ich gerade passend einen Arikel im Stern, der Sie auch interessieren könnte:
http://www.stern.de/kultur/micky-beisenherz/micky-beisenherz-ueber-apple–raus-aus-ientology-7002552.html
Kann nicht einmal jemand Apple auf Ihre webSite aufmerksam machen 😉?